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aus der Märkischen Oderzeitung vom 12.04.2007:

Gutachten zur Zukunft der Obusse

Angesichts millionenschwerer Investitionen will der Kreis vorab klären, ob sich das Geld für die "Strippe" lohnt

Obus vom tschechischem Typ SKODA 9 Tr mit Anhänger vom DDR-Typ W 701 Gelenkobus Nr. 037 vom österreichischen Typ ÖAF Gräf & Stift NGE 152 M17
Historische Aufnahme: Der Obus-Verkehr wurde am 3. November 1940 aufgenommen. Die Aufnahme entstand zu DDR-Zeiten an der Kreuzung Zimmerstraße/Eisenbahnstraße
Foto: Bankes
Moderne Busse: Beinahe lautlos rollen die Obusse an die Haltestellen heran
Foto: Hans Still
Landkreis Barnim (MOZ) Für die Barnimer Busgesellschaft (BBG) stehen in diesem Jahr wichtige Entscheidungen an. Ein Gutachten zur Effektivität des Kommunalunternehmens steht ins Haus und soll Aufschluss darüber geben, wie konkurrenzfähig die BBG agiert. Ein weiteres Gutachten stellt den Obus-Verkehr in der Kreisstadt Eberswalde auf den Prüfstand. Untersucht werden soll, wie zukunftssicher der Obusbetrieb noch ist. Angesichts steigender Ölpreise und der Feinstaubdebatten scheint die Antwort schnell gefunden. Doch anstehende Investitionen in Millionenhöhe erfordern eine genaue Prüfung.

Von Hans Still

Der Obus gehört zu Eberswalde wie der Zoo oder der traditionsreiche Kranbau. Generationen wuchsen mit dem gemütlichen Brummen der Obusse auf. Der erste Obus setzte sich bereits 1940 in Bewegung, schnell bekam das Gefährt den Beinamen "Strippen-Bus". Es war am 3. November 1940, als die "gleislose Bahn" für einen Aha-Effekt sorgte. Sie fuhr schneller als die Straßenbahn fuhr und war zudem noch leiser.

Heute fährt die BBG auf dem 15,8 Kilometer langen Obusnetz jährlich 850 000 Kilometer und befördert so einen Großteil der Passagiere im Eberswalder Stadtverkehr. Doch die Perspektive des beliebten Beförderungsmittels ist keineswegs so klar, wie gemeinhin angenommen werden könnte. Denn es stehen Investitionen ins Haus, die von der BBG nicht aus der Portokasse zu bezahlen sind. "Ein Teil unserer Busse hat seine Nutzungsdauer erreicht. Wir müssen sie entweder komplett instand setzen lassen oder wir sorgen für ausreichend Ersatz", gibt BBG-Geschäftsführer Frank Wruck zu bedenken.

Diese Forderung blieb nicht ungehört. Im BBG-Aufsichtsrat kursiert ein Papier, aus dem die Investitionen hervorgehen. Von 15 Bussen ist die Rede, die entweder komplett erneuert werden müssten und dann auch zeitgemäße Elektronik erhalten sollten. Alternativ dazu wird der Neukauf von 15 Obussen und von Dieselbussen geprüft.

Wirtschaftsdezernent Carsten Bockhardt (CDU) spielt mit offenen Karten. "Wir wollen angesichts der Investitionen wissen, ob der Obus in Eberswalde Zukunft hat oder nicht. Darum beauftragen wir einen unabhängigen Gutachter, dies zu untersuchen." Bockhardt stellt folgende Rechnung auf: Eine Grundinstandsetzung der 15 Busse würde 3 Millionen Euro kosten. Entscheidet sich der Kreis für neue Busse, stehen sogar Investitionen von 6,75 Millionen Euro ins Haus. Und auch das Oberleitungsnetz genügt nicht mehr den Anforderungen. Pauschal gilt die Formel, ein Kilometer Oberleitung kostet rund 500 000 Euro (Gemeint waren DM bzw. 250000 Euro!/H.B.). Auf welcher Strecke das Netz instand gesetzt werden könnte und ob es sogar Neuerschließungen geben könnte, das alles soll vom Ergebnis des Gutachtens abhängen, das der Kreis in Auftrag geben will.

Wer allerdings eine Debatte über ein Obus-Gutachten beziehungsweise die damit verknüpfte Grundsatzentscheidung erwartet hätte, sah sich bislang enttäuscht. "Das Gutachten ist bereits ausgeschrieben worden. Wir betrachten diese Angelegenheit als ein Geschäft der laufenden Verwaltung", gibt Bockhardt bei entsprechender Nachfrage zur Antwort. Tatsächlich kann der Kreis bis zu bestimmten Wertgrenzen allein agieren und muss die Abgeordneten nicht befragen. 25 000 Euro haben die Abgeordneten als Grenze für Geschäfte der laufenden Verwaltung genehmigt, das Gutachten sollte also weniger kosten. Liegt es in drei bis sechs Monaten vor, will Bockhardt das Thema auf die Tagesordnung heben. "Entweder wir diskutieren dann die Zukunft oder wir investieren."