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aus der Märkischen Oderzeitung vom 22.10.2004:

Neue Buslinien für Eberswalde geplatzt

Keine Verbindung zum Behördenzentrum und zur Fachhochschule

Von Michael Dietrich

Eberswalde (MOZ) Der geplante Start für zwei neue Buslinien ist gescheitert. Ab Dezember wollte die Barnimer Busgesellschaft Versorgungslücken des ÖPNV schließen. Fachhochschule und vor allem das Behördenzentrum sollten endlich eine Busanbindung bekommen, zumal mit dem Umzug des Finanzamtes an die Tramper Chaussee mit deutlich mehr Bedarf gerechnet wird. Doch die Stadt hat ihre Finanzzusage für den Service nicht gehalten.

Künftig sollten so wichtige Ziele wie der Waldcampus der Fachhochschule an der Möllerstraße, das Altenpflegeheim "Freudenquell" an der Brunnenstraße sowie das Behördenzentrum des Landes samt neuer Wohnsiedlung in Südend auch mit den Öffentlichen erreichbar sein. Doch die Erweiterung des Stadtliniennetzes zum Fahrplanwechsel Ende des Jahres ist vom Tisch, bestätigte Frank Wruck, Geschäftsführer der Barnimer Busgesellschaft (BBG), jetzt gegenüber der MOZ.

"Für die Einführung der neuen Linien sind wir auf eine finanzielle Beteiligung der Stadt in Höhe von 45000 Euro angewiesen. Wir haben jedoch bis heute keine verbindliche Zusage dafür erhalten. Da jetzt Redaktionsschluss für die neuen Fahrpläne ist, müssen wir uns festlegen und deshalb von dem Vorhaben Abstand nehmen", so Frank Wruck.

Der geplatzte Traum vom neuen ÖPNV-Angebot ist ärgerlich. Viele Fahrgäste sowie Stau geplagte Autofahrer hatten den angekündigten Verbesserungen entgegengefiebert. Zumal zwei wichtige Fahrziele, die Fachhochschule und das Behördenzentrum, gerade ausgebaut und damit von Mitarbeitern und Besuchern künftig noch stärker frequentiert werden. Die BBG rechnet mit einer steigenden Nachfrage in Richtung Behördenzentrum, wenn auch das Finanzamt dorthin umzieht und Richtung Waldkampus, wenn immer mehr Studenten im neuen Hörsaalgebäude büffeln. Pendler aus Berlin, die bei der Landespolizei, beim Straßenbauamt, dem Landesumweltamt oder im Finanzamt arbeiten, könnten derzeit gar nicht auf die Idee kommen, das Auto stehen zu lassen und auf Bahn und Bus umzusteigen. Es fährt schlicht kein Bus zu den Behörden auf dem Ex-Kasernengelände. (Es fährt die Linie 918 durch das Behördenzentrum und die Buslinien 515 und 923 wurden extra für das Behördenzentrum eingerichtet!/H.B.)

Der Zuschussbedarf für die wünschenswerten Busangebote trifft Eberswalde in der denkbar schlechtesten Zeit. In den Haushaltsberatungen geht es um Sparkonzepte und Streichlisten, um ein millionenschweres Defizit im Stadtsäckel abzubauen.

Da hat so ziemlich keiner Ohren für die Argumente pro ÖPNV wie weicher Standortfaktor, Wirtschaftsförderung, Verkehrsentlastung und steigende Fahrgastzahlen, die Frank Wruck ins Feld führt. Im Finanzausschuss hörte er zunächst einmal Bedenken, warum denn nicht der Kreis die Kosten tragen könne und ob der Bedarf tatsächlich bestehe. Bisher wären auch keine Beschwerden von Seiten des Behördenzentrums oder der Fachhochschule laut geworden, wussten Stadtverordnete. Eine Entscheidung über den Zuschuss steht aus.

Da hatte Bürgermeister Reinhard Schulz (parteilos) vor ein paar Wochen wohl etwas zu früh öffentlich versprochen: "Die Stadt wird sich an den Kosten beteiligen." Der Kreis indes lehnt eine Übernahme der Kosten grundsätzlich ab. Eberswalde habe ein öffentliches Busnetz, von dem andere Städte träumten, heißt es aus dem Landratsamt. Der Kreis, der das Busangebot in Eberswalde bestellt und bezahlt, sei nur für die Grundversorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zuständig. Die neuen Busziele würden darüber hinausragen. Wer das will, müsse zahlen. Hintergrund der rigorosen Ablehnung aus dem Kreishaus ist der Sonderstatus, den Eberswalde ohnehin genießt. Während andere Städte, wie Templin, Prenzlau oder Schwedt selbstverständlich für bürgerfreundliche Linien mit bezahlen, gibt die Waldstadt für ihr oft gelobtes gutes Liniennetz keinen einzigen Cent dazu.

"In Eberswalde fehlt dieses Selbstverständnis einfach", konstatiert Wruck nüchtern. Darüber hinaus zahlt der Kreis schon jetzt mehr als er müsste. Der Barnim leistet sich in seiner Hauptstadt nicht nur dir etwas teureren Obusse - deutschlandweit gibt es nur noch drei Städte mit einem Oberleitungsnetz und leisen Elektrobussen -, sondern auch eine komfortable Taktfrequenz. "Als Grundversorgung ist in den Hauptverkehrszeiten ein 20-Minuten-Takt festgelegt. Der Kreis ermöglicht jedoch, dass alle 15 Minuten ein Bus fährt, um den hohen Fahrgastzahlen gerecht zu werden. Dieses Angebot wollen wir freilich nicht aufgeben, denn wir würden damit viele Fahrgäste vergraulen", ist sich Wruck sicher. (Die Linien  861  und  862  fahren derzeit werktags zwischen 06:00 und 08:00 Uhr im 10 Minuten-Takt und zwischen 08:00 und 18:00 Uhr im 12 Minuten-Takt!/H.B.)