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aus der Märkischen Oderzeitung vom 16.11.2002 :

Schmerzgrenze erreicht?

Tarif-Rangeleien bei der Barnimer Busgesellschaft / Streik-Aktionen noch nicht abzusehen


Von Roger Eichhorn

Kreis Barnim (MOZ) Bei der Barnimer Busgesellschaft herrscht Unruhe. Die fast 250 Beschäftigten fürchten Einbußen in ihrer Lohntüte. Hintergrund: Geschäftsführung und Gewerkschaft ver.di führen seit Donnerstag Tarifverhandlungen. Wurde bislang nach B AT-Ost bezahlt, geht es nun um den Spartentarifvertrag Brandenburg. Ob es zum Streik kommt, ist offen.

"Die Verhandlungen zum Spartentarifvertrag sind am Donnerstag sehr schwierig angelaufen", berichtet ver.di- Funktionär Jens Gröger. "Sie standen kurz vor dem Scheitern." Die Arbeitgeberseite hätte Zugeständnisse weit über den Spartentarifvertrag hinaus gefordert. Unter anderem sollte für ein Jahr zusätzlichen Kündigungsschutz nur noch vier Euro Anwesenheitsgeld pro Tag als Ersatz für den Fahrdienstzuschlag gezahlt werden. Bislang lag der Betrag nach offiziellen Angaben bei sieben Euro.

Für die Gewerkschaft ist allerdings ein anderer Punkt "der Hammer schlechthin": Der im Tarifvertrag vereinbarte Besitzstand soll abgeschmolzen werden, erklärt Gröger. "Unsere Tarifkommission hat bereits deutlich gemacht, dass derartige Einschnitte nicht vereinbart werden." Laut ver.di geht es pro Beschäftigten um Einsparungen bis zu acht Prozent. Auch steht die Frage, wieviel Touren die Barnimer Busgesellschaft künftig noch selbst erledigt. Liegt die so genannte Fremdvergabequote derzeit bei 20 Prozent, könnte sie bald 30 Prozent betragen. Was die Busfahrer in ihrer Sorge um den Arbeitsplatz nicht unbedingt beruhigen dürfte.

Die Barnimer Busgesellschaft mbH ist ein kommunales Unternehmen, an dem der Landkreis Barnim 75 Prozent der Anteile hält. Mit 25 Prozent ist der Landkreis Märkisch-Oderland im Boot. Im Sommer war es bereits zur Gründung einer Tochterfirma gekommen, in der die Mitarbeiter außertariflich bezahlt werden. Die Verantwortlichen hatten dafür Veränderungen beim EU-Recht als Grund genannt (MOZ berichtete). Der Geschäftsführer der Busgesellschaft, Frank Wruck, spricht von einer "populistischen Informationspolitik" durch die Gewerkschaft. Der Spartentarifvertrag sei vor einem Jahr zwischen ver.di und dem kommunalen Arbeitgeberverband vereinbart worden. "Mit ihm sollte die deutliche Differenz zwischen den Tarifverträgen des privaten Omnibusgewerbes und dem Tarifvertrag der kommunalen Verkehrsunternehmen aufgehoben und ein Tarifniveau für die gesamte Nahverkehrssparte geschaffen werden". äußert er und verweist auf die "immer stärker werdende Schere", die sich bei der Busgesellschaft zwischen den Einnahmen und Ausgaben auftut. Es sollte auch nicht übersehen werden, dass die Busgesellschaft in der Region das letzte kommunale Verkehrsunternehmen sei, welches seine Mitarbeiter nach BAT entlohnt.

Für Wruck stehen vor allem drei Ziele: Personalkosten reduzieren, stärkere Leistungsorientierung bei den Löhnen und ein wettbewerbsfähiges Unternehmen. Die Mitarbeiter erhielten im Gegenzug unter anderem eine Kündigungsschutz-Garantie über mindestens fünf Jahre.

Ganz aneinander vorbei sprachen die Tarifpartner in der ersten Runde nicht. "Nach einer Auszeit gab es im weiteren Verlauf eine Annäherung", sagt Gewerkschafter Gröger. "Wir warten jetzt ab, ob die Gesellschafter mit dem jetzigen Stand mitgehen." Auch Geschäftsführer Wruck gibt sich versöhnlich: "Spielraum ist durchaus, vorhanden."

Die Tarifverhandlungen sind erst einmal auf den 26. November vertagt. Die Gewerkschaft zeigt sich kampfbereit. "Unsere Schmerzgrenze ist er reicht", sagt Gröger. "Wir haben als Tarifkommission unseren Standpunkt und halten eine Mitgliederversammlung unmittelbar nach der nächsten Verhandlungsrunde für nötig. Dort werden wir entscheiden müssen, ob der Kompromiss für uns tragbar ist." "Die wirtschaftliche Situation ist nicht rosig", unterstreicht Kreisdezernent Jörg Mocek, der bei der Busgesellschaft im Aufsichtsrat sitzt. "Wenn Arbeitsplätze erhalten bleiben sollen, müssen die Weichen entsprechend gestellt werden." Nur mit mehr Leistungsorientierung könne am Markt bestanden werden.

Streik-Aktionen im öffentlichen Nahverkehr sind im Moment nicht abzusehen. Wie die Gewerkschaft mögliche Proteste organisiert, soll auf einer Versammlung am 26. November beraten werden. Treff ist um 19 Uhr auf dem Betriebshof in Eberswalde (Kantine).