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aus der Märkischen Oderzeitung vom 10.06.2002:
Mit Blick auf die Konkurrenz
Barnimer Busgesellschaft will Tochterunternehmen gründen / Gewerkschaft mit Bauchschmerzen / Lohnniveau soll um bis zu 10 % gedrückt werden
Von Roger Eichhorn
Kreis Barnim (MOZ) Die Barnimer Busgesellschaft möchte ein Tochterunternehmen gründen. Als Grund nennen die
Verantwortlichen Verändereungen bei der EU-Rechtsprechung zum öffentlichen Personennahverkehr. Um
wettbewerbsfähig zu bleiben, sollen die Personalkosten deutlich reduziert werden. Bei der Gewerkschaft verdi trifft
der Plan auf Skepsis.
Spätestens mit Auslaufen der Liniengenehmigungen im Jahre 2008 werde sich die Busgesellschaft mit verstärktem
Wettbewerb auseinandersetzen müssen, begründet der Landkreis Barnim, der zu 75 % Gesellschafter des Unternehmens
ist. Den Rest der Anteile hält der Landkreis Märkisch-Oderland.
Die Busgesellschaft beschäftigt derzeit etwa 250 Mitarbeiter. Das könnte sich bereits Anfang 2003 ändern.
Dann laufen nämlich 31 befristete Arbeitsverträge aus. Und den entsprechenden Arbeitnehmern soll ein Job beim
Tochterunternehmen angeboten werden, für das der Name "Verkehrsservice GmbH" im Gespräch ist. Diese
Offerte gilt aber nur als Einstieg in ein neues Personalmodell. Es heißt nämlich: "Alle weiteren durch
altersbedingtes Ausscheiden und Fluktuation erforderlichen Neueinstellungen von Fahr- und Werkstattpersonal erfolgen
künftig ebenfalls in der Tochtergesellschaft." Dort soll ein sogenannter Spartentarifvertrag gelten, der eine
Senkung des derzeitigen Lohnniveaus um 6 %, bei Neueinstellungen um 10 % vorsieht. Die Kostenstruktur der Busgesellschaft
weist momentan einen Personalkostenanteil von 60 % auf, was den Verantwortlichen nach eigenen Angaben zu viel ist.
Bisherige Anstrengungen zur Effektivitätserhöhung seien durch tarifbedingte Lohnkostensteigerungen immer wieder
zunichte gemacht gemacht worden.
Nur eine Teilnahme am Wettbewerb, der künftig EU-weit geführt werde, könne das Unternehmen sichern, sagt
die Kreisverwaltung. Schon jetzt falle es der Busgesellschaft aufgrund des hohen Lohnniveaus schwer,
wettbewerbsfähige Angebote im Schienenersatzverkehr und Gelegenheitsverkehr abzugeben.
Eine unmittelbare Gefahr für die Arbeitsplätze bestehe gegenwärtig aber nicht, erklärt die
Kreisverwaltung. Man wolle lediglich "rechtzeitig strukturelle Veränderungen" vornehmen. Landrat Bodo Ihrke
(SPD): "Wir haben die schlechtesten Voraussetzungen für den Wettbewerb. Da müssen wir uns wappnen."
Tarifpolitische Bauchschmerzen verspürt indes die Gewerkschaft verdi. "Tochtergesellschaften sind uns ein Dorn
im Auge", unterstreicht Funktionär Jens Gröger. Aus seiner Sicht besteht keine Notwendigkeit diesen Schritt
zu gehen. immerhin gebe es bereits den Spartentarifvertrag, der schon unter Normaltarif liege. Er möchte Lohndumping
unbedingt vermeiden. Bei der Belegschaft herrsche Unruhe, sagte er.
Landrat Ihrke kann Grögers Aufregung nicht verstehen: "Eigentlich müsste man uns einen Lorbeerkranz
umhängen."