Sie sind hier: Übersicht > 4.1. Zeitraum von 1842 - April 1945 > Errichtung einer Obus-Anlage mit Einstangensystem in Eberswalde

Errichtung einer Obus-Anlage mit Einstangensystem in Eberswalde



Am 24. Februar 1939 erteilten die Stadtwerke der Firma Brown, Boveri und Cie. AG (BBC) Mannheim den Auftrag zur Errichtung einer Obus-Anlage mit Einstangensystem in Eberswalde.
Dieser Auftrag enthielt die Option der kostenlosen Umrüstung auf das Zweistangen-System, falls sich das Einstangen-System nicht bewähren sollte.

Zwischen Februar 1939 und April 1940 waren durch den Vorrang der Rüstungsindustrie und kriegswichtigen Produktion sehr viele bürokratsche Hürden, wie Materialzuteilung, Einsatz von kriegsdienstbefreiten Facharbeitern und leider auch Zwangsarbeitern usw., zu überwinden. Auch die Fertigstellung der Einstangen-Fahrleitungsanlage durch die Firma BBC bereitete große Probleme.

Am 27. Januar 1940 wurde zwischenzeitlich die Genehmigung der Eberswalder Obusanlage zurückgezogen. Erst ein neuer Bauantrag mit mit großer Dringlichkeitstufe brachte am 03. April 1940 eine neue Baugenehmigung und so wurde im April 1940 mit dem Bau der Fahrleitung begonnen.

Trotz einiger technischer Vorbehalte der Stadtwerke Eberswalde erfolgte am 10. Juli 1940 die abschließende Entscheidung zum Bau einer Obus-Anlage mit Einstangensystem. Einer Obus- Anlage mit Einstangensystem wurden aber auch Vorteile, wie eleganteres Aussehen, Gewichtsersparnis und größere Wendigkeit zugeschrieben.

Für die Eberswalder Obus-Anlage gab es in Zwickau und Gera bereits Vorbilder. Die Erbauer konnten somit bereits auf Erfahrungen beim Bau solcher Anlagen zurückgreifen.

Die Fahrdrähte bestanden aus Kupferrillenbreitprofil von 80mm2 Querschnitt und hatten einen Abstand von 200 mm.

Das folgende Foto wurde nach 1945 (wahrscheinlich 1946) aufgenommen und zeigt die Neue Kreuz- Straße (heute Friedrich-Ebert-Straße). Sehr gut kann man den relativ engen 200 mm Abstand der Fahrdrähte zueinander erkennen.

Fahrleitung der Einstangen-Obus-Anlage mit 200 mm Abstand in der Neuen Kreuz-Straße (heute Friedrich-Ebert-Straße


Um ein Zusammenschlagen der Fahrdrähte zu verhindern, wurden die Abstandshalter in der Mitte der Spannfelder eingebaut. In Krümmungen und Kurven wurden elastische Fahrdrahtaufängungen, die die hohen seitlichen Beschleunigungskräfte des 6,1 kg schweren Stromabnehmerkopfes minderten, verwendet.

Die Aufhängung der Fahrdrähte wurde in den Straßenzügen mittels Wandrosetten an den Häuserwänden befestigt. Vor den Wandrosetten waren Schalldämpfer mit BUNA-Einlage (synthetischer Kautschuk bzw. Gummi) eingebaut.

In unbewohnten Gebieten wurden Rohrmaste mit Auslegern gesetzt, die entsprechend ihren Standorten gesondert dimensioniert wurden, um Rohstoffe zu sparen. Alte Straßenbahnmaste dienten oft als Ausgangsmaterial. An den Wendestellen in Ostend und an der Artillerie-Kaserne wurden Mittelmaste eingesetzt. Dadurch konnte eine Vielzahl an Masten eingespart werden.

Das Foto zeigt den Bau der Wendestelle Ostend. Sehr gut können Sie bereits den verwendeten Mittelmast erkennen.

Bau der Wendestelle Ostend


Die Isolation der Fahrleitung wurde doppelt ausgeführt. Desweiteren wurden auf den einzelnen Fahrleitungsabschnitten Kurzschlußschalter zum Abheizen der Fahrdrähte eingebaut. Vor Betriebsbeginn wurden die westliche bzw. östliche Hälfte der Fahrleitung nacheinander jeweils 20 min lang mit einer Stromstärke von 700 - 800 A bei einer Spannung von 370 V aufgeheizt. Das entsprach einer Querschnittsbelastung von 4,5 bis 5 A/mm2. Dazu wurde einmal der im Westen bzw. Osten der Fahrdrahtanlage liegende Kurzschlußschalter zwischen Plus- und Minus-Fahrdraht eingelegt. Das Abheizen der Fahrdrähte diente zur Entfernung von Rauhreif- und Eisbildungen sowie letztlich der Erhöhung der Betriebssicherheit.

Durch das Abheizen konnte der Verschleiß der Gleiteinsätze der Stromabnehmer verringert werden. Luftschutzbelange spielten ebenso eine nicht unbedeutende Rolle. Ein Lichtbogen zwischen Stromabnehmerkopf und Fahrdraht hätte ein gut erkennbares Ziel bei gegnerischen Bombenangriffen abgegeben.

Das Einstangensysten war aufgrund der Traversenform des Stromabnehmers recht empfindlich gegen Entgleisungen mit allen seinen Folgen, wie Beschädigung der Fahrleitung usw. Laufend wurde an der Verbesserung der Stromabnehmerköpfe gearbeitet. Im Januar 1941 wurde ein neues Versuchsmodell mit sehr guten Ergebnissen getestet. Der neue Stromabnehmer wog nur 4,6 kg, war also leichter, hatte anstatt Führungsrollen Gleitstücke und war neu geformt. Die neue Formung sollte ein Hängenbleiben am Fahrdraht bei Entgleisung verhindern.

Das Foto zeigt den verbesserten Stromabnehmerkopf des Einstangensystems der Eberswalder Obusanlage.

Das Foto ist ein Werkfoto der Firma BBC.

Verbesserter Stromabnehmerkopf des Einstangensystems der Eberswalder Obusanlage


Da Kreuzungen und Weichen konstruktiv noch nicht ausgereift waren, wurde auf deren Einbau verzichtet. An den Abzweigen zum Depot und zur Artillerie-Kaserne wurde der Einstangen- Stromabnehmer vom Schaffner per Hand umgelegt.

Das zweispurige Streckennetz hatte einschließlich der Zufahrt zur Wagenhalle Bergerstraße eine Länge von 6,1 km. Die zweispurige Strecke verlief von Westend über Boldtstraße, Kleinbahnhof, Hauptbahnhof, Markt, Friedhof, Saarstraße zur Stadtrandsiedlung Ostend. An der Kreuzung Freienwalder Straße/SaarStraße befand sich ein zweispuriger Abzweig zur Artillerie-Kaserne in Richtung Sommerfelde.