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aus der Märkischen Oderzeitung vom 28.09.2007:

Kein Schnellschuss beim Obus

Nach einem Gutachten will der Kreis nicht weiter in abgasfreien Stadtverkehr investieren / Entscheidung aber offen

Eberswalde (MOZ) Anders als von der Kreisverwaltung empfohlen, wird der November-Kreistag nicht über Investitionen in den Eberswalder Obus-Verkehr abstimmen. Der Wirtschaftsausschuss stoppte Mittwochabend das Verfahren und forderte die Kreisverwaltung zur Nacharbeit auf. Unter anderem sollen die Vorstellungen der Stadt Eberswalde über künftige Verkehrsentwicklungen eingearbeitet werden. Vorgeschlagen wurde weiter, am Eberswalder Obus-System derzeit nicht zu rütteln, stattdessen aber für Bernau zu überlegen, welche Technologien dort dem Dieselbus Konkurrenz machen könnte.

Von Hans Still

Der Landkreis Barnim beabsichtigt, nicht weiter in die Eberswalder Obustechnik zu investieren. Stattdessen zeichnet der Kreis ein Ausstiegsszenario mit dem Ziel, einen Systemwechsel vorzubereiten. Favorisiert werden derzeit Brennstoffzellenbusse mit Hybridtechnologie. Der Zeitpunkt dieses Wechsels soll zwischen den Jahren 2012 bis 2015 liegen. Dann, so die Hoffnung, sei diese Technik reif für den Flotteneinsatz. Um nicht später Fördermittel für Obusleitungen zurückzahlen zu müssen (Busse werden nicht mehr gefördert), soll bis dahin auf eine Grundinstandsetzung der Obustechnik oder die komplette Erneuerung verzichtet werden. Außerdem laufen durch Fördermittel entstandene Zweckbindungen bereits bis 2022.

Die Pläne des Kreises basieren auf dem so genannten Obusgutachten, das Mittwochabend der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Zu einer Vorstellung des Gutachtens durch den Erarbeiter Ralf Günzel von der Firma PROVIZ kam es nicht, da die Mehrheit der Ausschussmitglieder keine Erläuterungen wünschte. Vizelandrat Carsten Bockhardt formulierte im Ausschuss die Prioritäten des Kreises, der die neue Technologie offenbar unbedingt in den Barnim holen möchte.

Gleichwohl sind die Annahmen im Gutachten keineswegs so sicher, wie teilweise dargestellt. So äußerten Ausschussmitglieder erhebliche Zweifel an der Darstellung, ab 2015 wären Brennstoffzellenbusse marktreif und bezahlbar. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der Bund mit einem Förderprogramm und 50 Prozent Investitionszuschuss für die neue Technologie wirbt"Das wird ein finanzielles Fiasko", stellte beispielsweise Götz Trieloff (FDP) fest. Bedenken gibt es auch zur Annahme, die Obusse der Barnimer Busgesellschaft (BBG) würden bis 2015 problemlos durchhalten.

Laut BBG-Geschäftsführer Frank Wruck gestaltet sich spätestens ab 2012 die Instandhaltung zum gravierenden Problem. Dann werde es immer weniger Ersatzteile für die veralteten Busse geben, die vor mehr als zehn Jahren (1993 und 1994) angeschafft wurden. Außerdem stehe zu befürchten, dass gleiche Bauteile reihenweise ausfallen werden, wenn sie die Grenznutzungsdauer erreicht haben.

Hinterfragt wurde zudem, warum das Eberswalder Obussystem als Zuschussgeschäft klassifiziert werde. Aufgrund der bereits getätigten Abschreibungen seien die Obusse aktuell hocheffizient und fahren für die BBG Gewinne ein.

Akzeptiert wurde hingegen die Idee des Kreises, sich über den Obus hinaus mit umweltfreundlichen Beförderungstechnologien zu beschäftigen. Ausschussvorsitzender Lutz Kupitz (Linke) entschuldigte sich fast für seine Anregung, doch einmal über die Verkehrssituation in Bernau nachzudenken. "Der Kreis sollte prüfen, ob sich der für Eberswalde gedachte Ansatz nicht auf Bernau übertragen lässt. Denn dort ist die Verkehrsbelastung in Form von Feinstaub und Verkehrslärm ebenfalls sehr hoch. Und ein vergleichsweise umweltfreundliches System wie es Eberswalde bereits hat, fehlt dort völlig." Zugleich machte Kupitz mit Blick auf die Eberswalder Verkehrsentwicklungsplanung klar, "dass der Kreis den weiteren Streckenausbau in Eberswalde nicht schultern könne". Vielmehr sollte sich die Stadt mit Eigenanteilen beteiligen, so wie es bereits Bernau, Wandlitz oder Ahrensfelde vormachen.

BBG-Geschäftsführer Frank Wruck schlug in seiner Stellungnahme vor, im Jahr 2010 zu prüfen, ob die Aussagen und Prognosen im Gutachten zutreffend seien. Dann solle auch über die Erneuerung des Fuhrparkes entschieden werden. Ähnlich äußerte sich der Ausschuss, der an Vizelandrat Bockhardt entsprechende Prüfaufträge verteilte.