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aus der Märkischen Oderzeitung vom 08./09.05.2004:

Wer neue Linien bestellt, zahlt extra

Fahrgastzahlen und Erlöse geben im neuen Nahverkehrsplan den Ton an / Kaum noch Berufsverkehr

Von Hans Still

Kreis Barnim (MOZ) Das neue Nahverkehrskonzept des Kreises orientiert stärker auf Wirtschaftlichkeit der Angebote, Fahrgastzahlen und Erlöse seien mehr als bisher Kriterien, an denen sich die Linien messen lassen müßten. Demnach stellt die Barnimer Busgesellschaft (BBG) ein Grundangebot zur Verfügung. Kommunen mit Sonderwünschen müssen allerdings in die eigene Tasche greifen. Wie beispielsweise die Gemeinde Panketal, die eine Erweiterung des Liniennetzes bestellte. Auch Eberswalde ist betroffen: Die stärkere Anbindung des Behördenzentrums und eine Verbindung zur Landesklinik sind beispielsweise vorgesehen. 45000 Euro soll die Kreisstadt dafür zahlen. Zugleich werden sich aber die Taktfrequenzen im Obus-Verkehr verschlechtern.

Wer die Musik bestellt, der zahlt. Was für den privaten Bereich schon lange gilt, soll künftig auch im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) verstärkt greifen. Die Novellierung des entsprechenden Landesgesetzes rückt den ÖPNV in die Nähe der freiwilligen Aufgaben. Genau darin liegt für Frank Wruck, Geschäftsführer der Barnimer Busgesellschaft, die große Unbekannte der kommenden Jahre. Das Land stellt dem Barnim einen Anteil aus dem 50-Millionen-Fonds zur Regionalentwicklung zur Verfügung, doch niemand vermag einzuschätzen, wie lange und in welcher Höhe diese Zahlungen künftig fließen werden.

2,3 Millionen Euro zahlt der Kreis als Aufgabenträger für den ÖPNV. Noch gilt der Landkreis in Sachen Haushaltsführung als Musterknabe, doch was passiert, wenn sich die komfortable Situation ändert?

"Mit diesem Nahverkehrskonzept erleben wir erste Ansätze einer gravierenden Neuorientierung", bestätigt Wruck, der unter der Formel "Anpassung an die Bedarfsentwicklung" die Veränderungen in den Mittelzentren Bernau und Eberswalde zusammenfasst. So erhält der Eberswalder Bürgermeister Reinhard Schulz (parteilos) in den kommenden Tagen ein Angebot der BBG, in dem zwar Erweiterungen für fahrgastträchtige Linien vorgeschlagen, zugleich aber Taktfrequenzen im Obus-Verkehr empfindlich reduziert werden. Frühestens zum 20. Dezember könnten die Veränderungen greifen, vorausgesetzt, die Eberswalder Stadtkasse gibt überhaupt die Ausgabe von 45000 Euro her und die SVV bestätigt den Auftrag. Zusätzliche Kosten kommen möglicherweise auch auf Bernau zu, denn die Gemeinde Panketal will nach MOZ-Recherchen mit Bürgermeister Hubert Handke (CDU) in Kontakt treten, um über eine anteilige Finanzierung der Linie 900 (siehe Kasten) zu verhandeln. Die erschließt nämlich die Bernauer Ortsteile Schönow und Lindow. Grund genug für die Panketaler, den von der BBG angebotenen Preis von 15000 Euro splitten zu wollen. Verbessern soll sich übrigens ab Schuljahresbeginn 2004/2005 die Verbindung zwischen Bernau und Wandlitz. Wenn das Oberstufenzentrum in Bernau-Waldfrieden an den Start geht, bekommt das Barnim-Gymnasium Buslinien in kürzerer Taktzeit, was zur Aufwertung des Standortes führen soll.

Beabsichtigte Veränderungen



Zweiter Schwerpunkt der Nahverkehrsplanung ist die verkehrliche Entwicklung im Barnim, die Wruck klar definiert: "Aus meiner Sicht ist die Sicherstellung des Schülerverkehrs am Wichtigsten. Die touristische Ausrichtung der Linienangebote sollte möglichst zunehmen, damit sichern wir beispielsweise auch die Erreichbarkeit der Mittelzentren für die Einwohner in den ländlichen Gebieten. Berufsverkehr können wir uns nur noch auf wenigen Hauptstrecken leisten".

Der aktuelle Stand der Schulentwicklungsplanung erschwert aus Sicht von Geschäftsführer Wruck derzeit zielsichere Linienplanungen. Niemand wisse heute genau, welche Schulstandorte demnächst schließen werden. In der Diskussion der Abgeordneten erfährt das Nahverkehrskonzept unterschiedliche Würdigungen. Der Bauausschuss stimmte dem Werk nach umfangreicher Besprechung zu, anders der Finanzausschuss am Donnerstagabend. Dort wurde beispielsweise auf Antrag des SPD-Abgeordneten Christian Trill beschlossen, einen Verweis auf die Elternbeteiligung an der Schulbusbeförderung in der Vorlage zu löschen, da der Kreistag sich bereits dagegen ausgesprochen habe. Die Abstimmung der Vorlage endete mit einer Patt-Situation, damit gilt der Nahverkehrsplan als abgelehnt.

Am Montag berät der Kreisausschuss über die Vorlage, die im Juni im Kreistag beschlossen werden soll.

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(Die rot-unterstrichene Markierung erfolgte durch H.B.!)